Kommunikationsassistenz

Kommunikationsassistenz im Bereich der Hörbehinderung und Gebärdensprache

Für Menschen mit Hörbehinderungen ist der Alltag oft von Kommunikationsbarrieren geprägt. In einer Welt, die für Hörende konzipiert ist, spielt die Kommunikationsassistenz eine entscheidende Rolle für die gesellschaftliche Teilhabe. Der folgende Text gibt dir einen umfassenden Einblick in das Berufsbild, die Aufgaben und Bedeutung von Kommunikationsassistenten für Menschen mit Hörbehinderungen.

Was ist Kommunikationsassistenz?

Kommunikationsassistenz unterstützt hörbehinderte und in ihrer Schrift- und Lautsprachkompetenz eingeschränkte Menschen bei der Verständigung mit ihrem Umfeld. Anders als eine reine Dolmetschperson ist eine Kommunikationsassistenz-Person aktiv am Kommunikationsprozess beteiligt und greift sofort ein, wenn Missverständnisse auftreten oder Sachverhalte unklar sind. Du kannst dir die Arbeit bei der Kommunikationsassistenz ähnlich wie das Dolmetschen wie eine Brücke zwischen zwei Sprachwelten vorstellen – der lautsprachlichen und der gebärdensprachlichen. Dabei geht die Aufgabe über die reine sprachliche Vermittlung hinaus und umfasst eine helfende und unterstützende Qualität im Kommunikationsprozess.

Die Hauptaufgabe besteht darin, hörbehinderten Menschen zu helfen, auditiv oder inhaltlich nicht verstandene Sachverhalte und Zusammenhänge zu verstehen, um selbständig entsprechende Entscheidungen zu treffen, diese mitzuteilen und umzusetzen. Die bei der Kommunikation assistierende Person erklärt den Beteiligten mit eigenen Worten, was sie selbst verstanden hat. Dieser Verständigungsprozess kann mehrere Wiederholungen benötigen, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis der Verständigung zu kommen. Dabei wird oft, aber nicht immer DGS eingesetzt.

Die Bedeutung barrierefreier Kommunikation für Menschen mit Hörbehinderung

In Deutschland leben laut Schätzungen knapp 6 Millionen Erwachsene mit Hörverlust, aber nur jeder Dritte unternimmt etwas dagegen. Außerdem gibt es etwa 80.000 gehörlose Menschen in Deutschland, die auf Gebärdensprache angewiesen sind. Insgesamt sind 19% der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre in irgendeiner Form hörbehindert. Diese Zahlen verdeutlichen den enormen Bedarf an Kommunikationshilfen.

Der Hörsinn ist für viele Menschen der wichtigste Sinn im Leben. Er spielt eine zentrale Rolle für die Sicherheit im Verkehr (61%), die Sicherheit im Alltag (55%) sowie als wichtiger Bestandteil für die eigene Lebensfreude (54%). Wenn du dir vorstellst, wie stark eine Hörbehinderung den Alltag einschränken kann, wird klar, warum barrierefreie Kommunikation so wichtig ist.

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist seit 2002 durch das Behindertengleichstellungsgesetz als eigenständige Sprache anerkannt. Sie wird von mindestens 200.000 Menschen in Deutschland gesprochen, von denen etwa 80.000 gehörlos sind. Als visuelle Sprache nutzt sie Mundbild, Mimik, Handform, Handstellung und Gestik und verläuft nicht linear wie die Lautsprache. Man kann vieles parallel anzeigen, wodurch die Gebärdensprache schneller und komprimierter als die deutsche Sprache ist.

Aufgaben und Tätigkeitsfelder bei der Kommunikationsassistenz

Die Tätigkeitsfelder bei der Kommunikationsassistenz sind vielfältig und richten sich nach den individuellen Bedürfnissen der zu unterstützenden Personen. In der Kommunikationsassistenz dolmetscht du konsekutiv (statt simultan), übersetzt oder erklärst Schriftdokumente, transkribierst Gebärdensprachvideos und hilfst je nach Bedarf, um Nachteile, die durch fehlende Inklusion für Gehörlose und Hörbehinderte entstehen, auszugleichen. 

Konkret kannst du als Kommunikationsassistenz in folgenden Bereichen tätig sein:

  • Als Arbeitsassistenz für gehörlose Angestellte oder selbständige gehörlose Dozenten
  • Als Kitaassistenz für gehörlose Kinder
  • Als Schreibassistenz bei Anträgen und weiterem Schriftverkehr
  • Als Unterstützung in der Grundschule für gehörlose Kinder
  • Bei Ärzten und im Krankenhaus, wenn kein geprüfter Dolmetscher zur Verfügung steht
  • Bei privaten Anlässen wie Gottesdiensten oder Hochzeiten

Wichtig ist, dass die Kommunikationsassistenz ein eigenständiger Tätigkeitsbereich ist und sich von der Tätigkeit des Dolmetschens unterscheidet. Eine Dolmetschperson hat die Aufgabe, Termine neutral und meist simultan zu dolmetschen, während eine Kommunikationsassistenz stärker in den Kommunikationsprozess eingreift und beispielsweise auch erklärt oder Partei ergreift.

Die Rolle der Gebärdensprache in der modernen Gesellschaft

Die Deutsche Gebärdensprache hat sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt und ist heute ein anerkanntes Kommunikationsmittel. Durch ihre späte Anerkennung entwickelten sich regionale Dialekte. Unterschiede gibt es zum Beispiel bei den Monaten und Wochentagen.

Wie jede lebendige Sprache entwickelt sich auch die Gebärdensprache ständig weiter. Allein während der Corona-Pandemie entstanden laut dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache 2.000 neue Wörter. Bei der Gebärdensprache ist das ähnlich: Man schaut sich an, wie andere Länder neue Begriffe handhaben. Durch gehörlose Forschende und das Internet, besonders TikTok und Instagram, verbreiten sich bestimmte Fachgebärden. Das geht sehr schnell.

Als Kommunikationsassistenz solltest du dich daher stets auf dem Laufenden halten und die Entwicklung der Gebärdensprache verfolgen. Das Institut für deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser gibt seit 1994 verschiedene Fachgebärdenlexika heraus, die dir dabei helfen können, dein Wissen zu erweitern und aktuell zu halten. Auch online gibt es viele Ressourcen.

Wie Kommunikationsassistenz den Alltag erleichtert

Der Alltag von Menschen mit Hörbehinderung kann durch zahlreiche Barrieren erschwert sein. Als Kommunikationsassistenz trägst du wesentlich dazu bei, diese Barrieren abzubauen und eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Deine Unterstützung ist vor allem in folgenden Situationen wertvoll:

  • Bei Änderungen von Arbeitsinhalt, -ablauf oder -organisation
  • Bei betrieblichen Besprechungen
  • Bei Personalgesprächen
  • Bei Gruppenschulungen
  • Bei Fragen und im Umgang mit öffentlichen Verwaltungen

Die Kommunikationsassistenz ist im Kern durch kollaborative Kommunikationsstrategien gekennzeichnet. Als Assistenz werden Aktivitäten bezeichnet, die die Äußerung eines Sprechers vervollständigen oder ergänzen, sodass diese Äußerungen formal zu Koproduktionen werden. Wenn eine Person alternative und ergänzende Kommunikationsmittel nutzt, stellt die Co-Konstruktion von Gesprächsinhalten eine zentrale Strategie dar, um komplexe Inhalte zu übermitteln.

Diese Form der Unterstützung geht weit über das reine Übersetzen hinaus und schafft echte Teilhabe im Alltag, in der Bildung und im Berufsleben.

Rechtliche Grundlagen für Kommunikationshilfen

Mit der Einführung des SGB IX (Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch) im Jahre 2001 wurde für die Kommunikation mit Hörbehinderten festgelegt, dass hörbehinderte Menschen das Recht haben, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen.

Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (Behindertengleichstellungsgesetz, BGG) führte 2002 zur gesetzlichen Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache „als eigenständige Sprache“ und der Lautsprachbegleitenden Gebärden „als Kommunikationsform des Deutschen“.

Gemäß § 9 des BGG wurde eine eigene Rechtverordnung erlassen, die sogenannte Kommunikationshilfenverordnung(KHV). Diese regelt Anlass und Umfang, Art und Weise sowie die Vergütung des Anspruchs auf Bereitstellung einer Gebärdensprachverdolmetschung oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen.

Als Kommunikationshilfen kommen gemäß der Verordnung in Betracht:

  • Gebärdensprachdolmetschen
  • Kommunikationshilfe
  • Schriftdolmetschen
  • Simultandolmetschen
  • Oraldolmetschen
  • Kommunikationsassistenz
  • sonstige geeignete Personen des Vertrauens der Berechtigten

Die Ausbildung zum Kommunikationsassistenten

Anders als bei Gebärdensprachdolmetschern gibt es für Kommunikationsassistenten bisher keine standardisierte Ausbildung oder einheitliche Qualifikationsrichtlinien. Mit Stand 2018 gab es drei unterschiedlich konzipierte Qualifizierungsangebote zur Kommunikationsassistenz. Dabei werden Schwerpunkte entweder auf die Sprachkenntnisse oder das Verständnis der Kultur gelegt. Die Qualifizierungen umfassen zwischen 600 und 750 Unterrichtsstunden plus Praktikum und Selbstlernphasen als nebenberufliche oder Vollzeitmaßnahme.

Ein konkretes Beispiel ist die “Weiterbildung zur/zum Kommunikationsassistent/-in für Deutsche Gebärdensprache (KA-DGS)”, die in etwa 4 1/2 Monaten abgeschlossen werden kann. Diese Weiterbildung findet zweimal jährlich statt und ist eine Zusatzqualifikation zu einem erlernten Beruf, idealerweise aus dem Dienstleistungsbereich. Sie beinhaltet mindestens 650 Unterrichtsstunden zzgl. 50 Stunden Praktikum in einer Einrichtung für taube Menschen.

Die Inhalte einer solchen Weiterbildung umfassen in der Regel:

  • Deutsche Gebärdensprache (verschiedene Niveaustufen)
  • Visuell gestische Kommunikation
  • Fachgebärden
  • Rezeption und produktive Gebärden
  • Grundlagen Recht (Behindertenrecht, Gleichstellungsgesetz, etc.)
  • Soziologie
  • Taubenkultur
  • Linguistik
  • Geschichte der Tauben
  • Praktikum

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Kommunikationsassistenz nicht zwangsläufig über eine abgeschlossene Ausbildung bzw. Qualifikation als Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschende verfügt. Jedoch muss die Ziel- bzw. Arbeitssprache soweit beherrscht werden, dass die Kommunikationsassistenz in flüssiger Kommunikation mit der Person mit Hörbehinderung kommunizieren kann.

Der Bedarf an Kommunikationshilfen in Deutschland

Der Bedarf an Kommunikationsassistenz und anderen Kommunikationshilfen ist in Deutschland groß und wächst stetig. Dies liegt zum einen an der demografischen Entwicklung und der damit verbundenen Zunahme von altersbedingten Hörbehinderungen, zum anderen an dem wachsenden Bewusstsein für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Notwendigkeit inklusiver Strukturen.

Statistische Erhebungen zeigen, dass etwa 19% der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre hörbehindert sind. Bei einer Bevölkerungszahl für diesen Personenkreis von 70 Millionen sind das 13,3 Millionen Menschen. Davon sind laut Deutschem Schwerhörigen-Bund:

  • leichtgradig schwerhörig 56,5% = 7,51 Millionen
  • mittelgradig schwerhörig 35,2% = 4,68 Millionen
  • hochgradig schwerhörig 7,2% = 0,95 Millionen
  • an Taubheit grenzend schwerhörig 1,6% = 0,21 Millionen 

Um diesem Bedarf gerecht zu werden, ist es wichtig, dass mehr Menschen sich für eine Tätigkeit als Kommunikationsassistent interessieren und entsprechende Qualifizierungen durchlaufen. Durch deine Arbeit als Kommunikationsassistenz könntest du einen wichtigen Beitrag zur Inklusion und gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Hörbehinderungen leisten.

Die Bedeutung der Kommunikationsassistenz für eine inklusive Gesellschaft

Die Kommunikationsassistenz spielt eine entscheidende Rolle für die Teilhabe von Menschen mit Hörbehinderungen am gesellschaftlichen Leben. Als Kommunikationsassistenz bist du weit mehr als eine Person, die übersetzt – du bist eine Brücke zwischen verschiedenen Sprachwelten und Kulturen, du vermittelst und unterstützt.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland bieten eine gute Grundlage für den Einsatz von Kommunikationsassistenz, doch es liegt an jedem Einzelnen, diese Möglichkeiten zu nutzen und weiterzuentwickeln. Durch deine Arbeit als Kommunikationsassistent kannst du dazu beitragen, dass hörbehinderte Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Die Aufgaben und Einsatzbereiche der Kommunikationsassistenz sind vielfältig und anspruchsvoll. Sie erfordern nicht nur sprachliche Kompetenz, sondern auch ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, kulturellem Verständnis und die Fähigkeit, komplexe Inhalte verständlich zu vermitteln.

Mit den richtigen Qualifikationen und persönlichen Voraussetzungen kannst du als Kommunikationsassistenz einen wertvollen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft leisten und hörbehinderte Menschen dabei unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Von A bis Z: Begriffe rund um Hörbehinderung und Gebärdensprachen

Hier findest du Erklärungen zu wichtigen Begriffen aus den Bereichen Hörbehinderung und Gebärdensprachen. Unser Ziel ist es, dir einen einfachen Zugang zu diesem Themenfeld zu ermöglichen und Fachbegriffe verständlich zu erläutern.

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