Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): Definition, Bedeutung und Anwendung
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) spielt eine zentrale Rolle in der Förderung von Chancengleichheit und dem Abbau von Barrieren für Menschen mit Behinderungen. Wenn du dich mit den Rechten von Menschen mit Behinderungen beschäftigst, ist dieses Gesetz für von großer Bedeutung. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierung zu verhindern und die Selbstbestimmung sowie gesellschaftliche Teilhabe sicherzustellen. Mit Maßnahmen wie dem verbesserten Zugang zu öffentlichen Gebäuden und Informationen sowie dem Recht auf angemessene Vorkehrungen strebt das BGG nach einer inklusiven Gesellschaft, die allen ihren Mitgliedern gleiche Rechte und Möglichkeiten bietet.
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) – Entstehung und Grundlagen
Das Behindertengleichstellungsgesetz wurde am 1. Mai 2002 in Kraft gesetzt und markiert einen Meilenstein in der deutschen Behindertenpolitik. Es ist wichtig, dass du verstehst, dass das BGG auf dem Grundsatz basiert, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf – ein Grundsatz, der bereits im Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes verankert ist. Das Gesetz wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt durch das Teilhabestärkungsgesetz vom 2. Juni 2021, um den Schutz und die Rechte von Menschen mit Behinderungen weiter zu stärken.
Laut § 3 BGG gelten als Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes Personen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig wird dabei ein Zeitraum betrachtet, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

Zielsetzung und Anwendungsbereich des BGG
Das primäre Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Die Regelungen des BGG richten sich in erster Linie an die Träger öffentlicher Gewalt auf Bundesebene, also Behörden, Einrichtungen, Unternehmen und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Wenn du mit Behörden zu tun hast, ist es wichtig zu wissen, dass das BGG unmittelbare Pflichten für die Dienststellen der Bundesverwaltung, Beliehene unter Aufsicht des Bundes und die Landesverwaltungen festlegt, soweit sie Bundesrecht ausführen. Dies betrifft beispielsweise Sozialämter oder die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit.
Barrierefreiheit im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG)
Barrierefreiheit ist ein zentrales Konzept des BGG und wird in § 4 des Gesetzes definiert. Demnach sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche als barrierefrei zu betrachten, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Für dich ist besonders wichtig zu wissen, dass das BGG in § 8 die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr regelt. Dies betrifft zivile Neu-, Um- und Erweiterungsbauten des Bundes, die barrierefrei gestaltet werden müssen. Auch beim Anmieten von Gebäuden durch den Bund soll auf Barrierefreiheit geachtet werden. Zudem sollen Wege, Plätze, Straßen sowie öffentliche Verkehrsmittel nach dem BGG barrierefrei gestaltet werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die barrierefreie Informationstechnik. Nach § 12a BGG sind öffentliche Stellen des Bundes verpflichtet, ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für die Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, barrierefrei zu gestalten. Diese Verpflichtung erstreckt sich schrittweise auch auf elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe, einschließlich Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung.
Bedeutung für Menschen mit Hörbehinderung
Das Behindertengleichstellungsgesetz hat eine besondere Bedeutung für Menschen mit Hörbehinderungen. Als Hörbehinderung werden allgemein Funktionsstörungen oder ein kompletter Funktionsausfall des Gehörs verstanden. Schwerhörige Menschen besitzen dabei ein Resthörvermögen, mit dem sie – teilweise durch Hörhilfen unterstützt – Sprache in begrenztem Umfang wahrnehmen können.
Eine Hörbehinderung liegt vor, wenn das Hörvermögen und das Sprachverstehen deutlich von der Norm abweichen. Der Grad der Hörbeeinträchtigung wird medizinisch mithilfe audiometrischer Verfahren festgestellt. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt eine Schwerhörigkeit vor, wenn die Hörschwelle im Sprachbereich gegenüber der Norm um mindestens 26 Dezibel (dB) angehoben ist.
Es gibt verschiedene Arten von Hörstörungen, darunter die Schallleitungsschwerhörigkeit, die Schallempfindungsschwerhörigkeit und die kombinierte Hörstörung. Zudem gibt es spezielle Erkrankungen wie Morbus Menière oder das Usher-Syndrom, die mit Hörbeeinträchtigungen einhergehen.
Gebärdensprache und ihre Anerkennung durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Ein Meilenstein des BGG ist die rechtliche Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als eigenständige Sprache, die in § 6 Absatz 1 verankert ist. Diese Anerkennung ist seit dem 1. Mai 2002 mit Inkrafttreten des BGG gültig und stellt einen bedeutenden Schritt zur Gleichstellung von Menschen mit Hörbehinderungen dar.
Neben der Deutschen Gebärdensprache erkennt das BGG in § 6 Absatz 2 auch lautsprachbegleitende Gebärden als Kommunikationsform der deutschen Sprache an. Beide Formen der Kommunikation können für gehörlose oder schwerhörige Personen eine wichtige Unterstützung darstellen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Der Deutsche Gehörlosen-Bund fordert, dass der Status der Deutschen Gebärdensprache systematisch und nachhaltig geschützt und gefördert werden müsse. Die Organisation spricht sich für ein eigenes Gebärdensprachgesetz aus, in dem die Deutsche Gebärdensprache als Minderheitensprache anerkannt wird.
Kommunikationshilfen und praktische Umsetzung im BGG
Das Behindertengleichstellungsgesetz sieht vor, dass Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht haben, im Umgang mit Behörden die Deutsche Gebärdensprache, lautsprachbegleitende Gebärden oder andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden. Dieses Recht ist ein essentieller Bestandteil für die gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben.
Wenn du eine Hör- oder Sprachbehinderung hast, hast du gemäß § 9 BGG das Recht, bei Verwaltungsverfahren in Deutscher Gebärdensprache oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren. Auf deinen Wunsch hin sind die Träger der öffentlichen Gewalt verpflichtet, Kommunikationshilfen kostenfrei zur Verfügung zu stellen oder die notwendigen Aufwendungen zu tragen.
Die detaillierten Regelungen zu Anlass, Umfang, Art und angemessener Vergütung von Kommunikationshilfen findet du in der „Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationsformen – Kommunikationshilfeverordnung (KHV)“ vom 17. Juli 2002. Diese Verordnung stellt sicher, dass du angemessene Unterstützung erhältst, wenn du deine Rechte im Verwaltungsverfahren wahrnehmen möchtest.
Rechte und Ansprüche nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Das Behindertengleichstellungsgesetz gewährt dir als Person mit einer Behinderung verschiedene Rechte und Ansprüche. Zentral ist dabei das in § 7 BGG verankerte Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, welches besagt, dass keine Person wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden darf.
Für Menschen mit Hörbehinderungen sind besonders die Regelungen zur Kommunikation relevant. So hast du nicht nur das Recht auf Verwendung der Deutschen Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen, sondern auch auf die Bereitstellung dieser Hilfsmittel durch die Behörden.
Ein weiterer wichtiger Anspruch betrifft die Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken. Nach § 10 BGG müssen Verwaltungsakte, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke so gestaltet sein, dass Behinderungen berücksichtigt werden. Blinde und sehbehinderte Menschen können verlangen, dass ihnen diese Dokumente in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.
Auch das Recht auf Verständlichkeit und Leichte Sprache ist im BGG verankert. § 11 sieht vor, dass der Inhalt von Behördenentscheidungen für Menschen mit geistigen und/oder seelischen Behinderungen in einfacher und verständlicher Form erläutert werden soll. Wenn dies nicht ausreicht, soll eine Erläuterung in Leichter Sprache erfolgen.
Die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) in der Praxis
In der praktischen Umsetzung des BGG spielt die Barrierefreiheit eine zentrale Rolle. Um die Einhaltung der Vorgaben zur Barrierefreiheit zu überprüfen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) als eigenständige, unabhängige Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eingerichtet.
Diese Überwachungsstelle führt regelmäßige Stichproben durch, um die Einhaltung der Barrierefreiheitsstandards zu kontrollieren. Zudem berät sie öffentliche Stellen des Bundes im Rahmen der Erstberatung. Daneben besitzt jedes Bundesland eine eigene Überwachungsstelle, und diese stimmen sich fachlich über die anzuwendenden Prüfmethoden ab.
Für dich als betroffene Person ist es wichtig zu wissen, dass die obersten Bundesbehörden verpflichtet sind, alle drei Jahre einen Bericht über den Stand der Barrierefreiheit an die Überwachungsstelle des Bundes zu erstatten. Diese Berichte geben Aufschluss über die Fortschritte bei der Umsetzung der Barrierefreiheit und können dir helfen, deine Rechte einzufordern.
Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen im Behindertengleichstellungsgesetz
Trotz der Fortschritte, die durch das Behindertengleichstellungsgesetz erzielt wurden, bestehen weiterhin Herausforderungen bei der vollständigen Umsetzung der Barrierefreiheit und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Eine zentrale Herausforderung liegt in der praktischen Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere im Bereich der digitalen Barrierefreiheit.
Zudem gibt es Forderungen nach einer Ausweitung des Geltungsbereichs des BGG auf den privaten Sektor. Derzeit entstehen unmittelbare Pflichten für Personen im Privatrecht grundsätzlich nicht. Der Bund muss jedoch bei einer Beteiligung an juristischen Personen des Privatrechts auf eine Umsetzung der Ziele des BGG hinwirken.
Eine weitere Entwicklung betrifft die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache als Minderheitensprache. Der Deutsche Gehörlosen-Bund fordert, wie bereits erwähnt, ein eigenes Gebärdensprachgesetz mit der Anerkennung der deutschen Gebärdensprachgemeinschaft als nationale Minderheit. Dies könnte die Rechte von Menschen mit Hörbehinderungen weiter stärken und ihre gesellschaftliche Teilhabe verbessern.
Es ist zu erwarten, dass das Behindertengleichstellungsgesetz in den kommenden Jahren weiterentwickelt wird, um den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen noch besser gerecht zu werden und Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen zu fördern.
Die Bedeutung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) für eine inklusive Gesellschaft
Das Behindertengleichstellungsgesetz stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft dar, in der Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt teilhaben können. Es schafft rechtliche Rahmenbedingungen für Barrierefreiheit und Gleichstellung und erkennt die besondere Bedeutung der Deutschen Gebärdensprache als eigenständige Sprache an.
Für dich als Mensch mit einer Hörbehinderung bietet das BGG konkrete Rechte und Ansprüche, insbesondere im Umgang mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen. Die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache und der Anspruch auf Kommunikationshilfen ermöglichen dir eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Es ist jedoch wichtig, dass du deine Rechte kennst und diese auch einforderst. Nur so kann das Behindertengleichstellungsgesetz seine volle Wirkung entfalten und zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft beitragen, in der niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt wird. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Gesetzes und seine konsequente Umsetzung sind dabei von entscheidender Bedeutung für die Zukunft.
