Barrierefreiheit

Barrierefreiheit: Eine umfassende Begriffserklärung

Barrierefreiheit bezeichnet die Gestaltung unserer Umwelt in einer Weise, die allen Menschen ermöglicht, ohne Hindernisse mit ihrer Umgebung zu interagieren. Laut offizieller Definition sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen dann barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Barrierefreiheit ist somit wichtig für eine inklusive Gesellschaft, an der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können – unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Das Konzept geht weit über Rampen für Rollstühle hinaus und umfasst alle Aspekte der Gestaltung unserer Lebensumwelt – von Gebäuden über Verkehrsmittel bis hin zu digitalen Medien und Kommunikation.

Die rechtlichen Grundlagen der Barrierefreiheit

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) bildet in Deutschland die zentrale rechtliche Grundlage für Barrierefreiheit. Der Paragraf 4 des BGG hat maßgeblich zu einem veränderten Verständnis beigetragen: Nicht mehr die Menschen mit Behinderungen sollen an die Umwelt angepasst werden, sondern die Umwelt soll so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen gleichermaßen nutzbar ist. Diese Sichtweise hat die bis dahin vorherrschende Perspektive abgelöst, bei der Menschen mit Behinderungen trainiert oder mit Hilfsmitteln ausgestattet wurden, um mit der Umwelt zurechtzukommen. Die Begriffe „behindertengerecht“ und „behindertenfreundlich“ werden durch den Gedanken des „Universal Design“ ersetzt, das eine allgemeine Gestaltung des Lebensumfeldes für alle Menschen anstrebt, ohne jemanden auszuschließen. Vereinfacht ausgedrückt: Möglichst alle Menschen sollen möglichst alles möglichst alleine machen können.

Ab dem 28. Juni 2025 tritt zudem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das die EU-Richtlinie 2019/882 in deutsches Recht überführt. Dieses Gesetz verpflichtet Firmen und Unternehmen, ihre Angebote, Online-Dienste, Websites und digitalen Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Betroffen sind unter anderem Online-Shops, Banken, E-Book-Portale und andere digitale Angebote.

Barrierefreiheit im Alltag erkennen und umsetzen

Barrierefreiheit begegnet dir im Alltag in verschiedenen Formen. Und das oft, ohne dass du sie bewusst wahrnimmst. Rampen an öffentlichen Gebäuden, absenkbare Busse, Aufzüge in Bahnhöfen – all diese Elemente sind Beispiele für bauliche Barrierefreiheit. Aber Barrierefreiheit umfasst weitaus mehr als nur die physische Zugänglichkeit von Gebäuden und Verkehrsmitteln.

Es geht auch um die Gestaltung von Informationen und Kommunikation, technischen Geräten und Dienstleistungen. Ein barrierefreier Alltag bedeutet, dass Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen selbstständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dies kommt nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, sondern auch Senioren, Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit vorübergehenden Einschränkungen oder Personen mit Migrationshintergrund.

Das Konzept der Inklusion steht in engem Zusammenhang mit der Barrierefreiheit. Während Barrierefreiheit die Voraussetzungen für Teilhabe schafft, zielt Inklusion darauf ab, dass Menschen mit Behinderungen selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Barrierefreiheit ist somit ein wichtiges Instrument, um Inklusion zu ermöglichen und Menschen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Die Bedeutung der Barrierefreiheit in der Kommunikation

Kommunikative Barrierefreiheit ist ein entscheidender Faktor für die gesellschaftliche Teilhabe. Durch sie können Menschen sprichwörtlich erst ins Gespräch kommen. Sie umfasst verschiedene Aspekte wie barrierefreie Informationen, barrierefreie Kommunikationsmittel und -wege sowie die Berücksichtigung verschiedener Kommunikationsbedürfnisse.

Für Menschen mit Hörbehinderungen ist Barrierefreiheit in der Kommunikation besonders wichtig. Die Lautsprache, also die “gesprochene Sprache”, dominiert unseren Alltag – vom Gespräch an der Bushaltestelle über Telefonate bis hin zu Durchsagen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Für gehörlose Menschen stellen diese alltäglichen Kommunikationssituationen oft unüberwindbare Barrieren dar.

Um barrierefreie Kommunikation zu gewährleisten, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich: Visuelle Alternativen zu akustischen Informationen, Untertitel bei Videoinhalten, Einsatz von Gebärdensprachdolmetschenden oder technische Hilfsmittel wie Induktionsschleifen für Menschen, die Hörgeräte tragen. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass auch Menschen mit Hörbehinderungen in vollem Umfang am kommunikativen Austausch teilnehmen können und nicht von wichtigen Informationen ausgeschlossen werden.

Barrierefreiheit und Hörbehinderung: Besondere Herausforderungen

Für Menschen mit Hörbehinderungen stellt fehlende Barrierefreiheit eine besondere Herausforderung dar, da ihre Beeinträchtigung für andere oft nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Gehörlose und schwerhörige Menschen stoßen im Alltag auf zahlreiche Barrieren, die ihre Teilhabe einschränken.

Eine Hörbehinderung ist zwar unsichtbar, aber für die Betroffenen eine erhebliche Hürde. Da die Lautsprache unseren Alltag prägt – vom Small Talk an der Bushaltestelle über die Vereinbarung eines Arzttermins am Telefon bis zum Kino- oder Theaterbesuch – ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen, die nicht oder nur wenig hören können, alles andere als selbstverständlich.

Barrierefreiheit für hörbehinderte Menschen bedeutet mehr als nur technische Lösungen. Es geht auch um ein Bewusstsein für ihre Bedürfnisse und die Bereitschaft, kommunikative Barrieren abzubauen. Dazu gehört beispielsweise, beim Sprechen das Gesicht dem Gesprächspartner zuzuwenden, damit Lippenlesen möglich ist, oder Informationen auch schriftlich oder visuell anzubieten. Barrierefreiheit in diesem Kontext erfordert also sowohl strukturelle als auch individuelle Anpassungen und ein grundlegendes Verständnis für die spezifischen Kommunikationsbedürfnisse hörbehinderter Menschen.

Zugang schaffen mit der Deutschen Gebärdensprache 

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) spielt eine zentrale Rolle für die Barrierefreiheit von gehörlosen Menschen. Seit 2002 ist sie in Deutschland als eigenständige Sprache anerkannt und ist für viele Gehörlose die Muttersprache. Die Gebärdensprache ist eine vollwertige Sprache mit eigener Grammatik, bei der mit Handzeichen, Mimik und Körperhaltung kommuniziert wird.

Für Menschen, die nicht hören, ist die Gebärdensprache das wichtigste Mittel zur Verständigung – sowohl untereinander als auch mit hörenden Menschen. Sie ermöglicht gehörlosen Menschen, komplexe Gedanken auszudrücken, Emotionen zu vermitteln und am sozialen Leben teilzuhaben. Die Gebärdensprache ist der Schlüssel zu einer inklusiven Gesellschaft.

Die Anerkennung der Gebärdensprache als eigenständige Sprache war ein wichtiger Schritt zur Barrierefreiheit. Sie hat dazu beigetragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass gehörlose Menschen nicht sprachlos sind, sondern lediglich eine andere Sprache verwenden. Die Förderung der Gebärdensprache und die Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern sind daher wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit und zur Förderung der Inklusion gehörloser Menschen in der Gesellschaft.

Digitale Barrierefreiheit im Fokus der modernen Gesellschaft

In unserer zunehmend digitalisierten Welt gewinnt die digitale Barrierefreiheit immer mehr an Bedeutung. Sie bezieht sich auf die Zugänglichkeit von Websites, Apps, elektronischen Dokumenten und anderen digitalen Inhalten für alle Menschen, unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten.

Für Menschen mit Hörbehinderungen bedeutet digitale Barrierefreiheit zum Beispiel, dass Audioinhalte auch als Text verfügbar sind oder dass Videos mit Untertiteln oder Übersetzungen in Gebärdensprache angeboten werden. Für Menschen mit Sehbehinderungen ist es wichtig, dass Websites mit Screenreadern nutzbar sind oder dass Bilder mit alternativen Texten versehen werden.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet Unternehmen und Organisationen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Dazu gehören unter anderem eine klare Struktur, verständliche Sprache, ausreichende Kontraste und die Möglichkeit, alle Funktionen auch ohne Maus, also z.B. nur mit der Tastatur, zu bedienen. Die Umsetzung dieser Anforderungen ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch eine Chance, die Nutzbarkeit digitaler Angebote für alle zu verbessern und neue Zielgruppen zu erschließen.

Barrierefreie Texte erstellen für optimale Verständlichkeit

Ein wichtiger Aspekt der digitalen Barrierefreiheit ist die Erstellung barrierefreier Texte. Barrierefreie Texte sind so gestaltet, dass sie für alle Menschen verständlich und zugänglich sind – auch für solche mit Lernschwierigkeiten, kognitiven Einschränkungen oder Sprachbarrieren.

Um barrierefreie Texte zu erstellen, solltest du auf eine klare und prägnante Sprache achten. Vermeide komplizierte Satzstrukturen und erläutere Fachbegriffe, Fremdwörter und Abkürzungen. Verwende serifenlose Schriftarten mit hohem Kontrast zur besseren Lesbarkeit und strukturiere deine Texte logisch mit aussagekräftigen Überschriften und kurzen Absätzen.

Bei der technischen Umsetzung barrierefreier Texte ist es wichtig, konsequent Formatvorlagen zu nutzen, Listen korrekt zu formatieren und Tabellen mit sprechenden Spaltenüberschriften zu versehen. Bilder und Grafiken sollten mit Alternativtexten versehen werden, damit sie auch für Menschen mit Sehbehinderungen wahrnehmbar sind. Diese technischen Aspekte der Barrierefreiheit sind nicht nur für Menschen mit Behinderungen wichtig, sondern verbessern auch die allgemeine Nutzungsfreundlichkeit und die Suchmaschinenoptimierung deiner Texte.

Das Konzept „Design für Alle“ als Grundlage der Barrierefreiheit

Ein wichtiges Prinzip der Barrierefreiheit ist das Konzept „Design für Alle“ (Universal Design). Es basiert auf der Idee, dass Produkte, Umgebungen und Dienstleistungen so gestaltet werden sollten, dass sie von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden können, ohne dass spezielle Anpassungen oder besondere Gestaltungen erforderlich sind.

Das „Design für Alle“ zielt von Anfang an auf Inklusion ab und bezieht die Nutzer in die Gestaltung ihrer Umwelt ein. Es geht nicht darum, Sonderlösungen für bestimmte Gruppen zu schaffen, sondern von vornherein alle potenziellen Nutzer zu berücksichtigen. Dieses Konzept löst die Begriffe „behindertengerecht“ und „behindertenfreundlich“ ab, die falsche Assoziationen der besonderen Zuwendung zu behinderten Menschen auslösen können.

Dieses Konzept lässt sich auf verschiedene Bereiche anwenden – von der Architektur über Produktdesign bis hin zur Gestaltung von Kommunikations- und Informationssystemen. Ein gutes Beispiel für „Design für Alle“ sind automatische Türöffner, die nicht nur für Rollstuhlfahrer nützlich sind, sondern auch für Menschen mit Kinderwagen, mit Gepäck oder ältere Personen. Es geht also um eine allgemeine Gestaltung des Lebensumfeldes für alle Menschen, die möglichst niemanden ausschließt und von allen gleichermaßen genutzt werden kann.

Zugang als gesellschaftliche Verantwortung und Chance

Barrierefreiheit ist nicht nur eine rechtliche Anforderung, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung und Chance. Sie trägt dazu bei, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, und fördert somit die soziale Inklusion. Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht und wichtig für die Inklusion aller Menschen in der Gesellschaft.

Für Unternehmen und Organisationen bietet Barrierefreiheit die Chance, neue Zielgruppen zu erschließen und ihre soziale Verantwortung zu demonstrieren. Barrierefreie Angebote kommen nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, sondern verbessern oft die Nutzbarkeit für alle Kunden. Der Gedanke, dass Barrierefreiheit auch wirtschaftliche Vorteile bringen kann, gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Barrierefreie Websites haben beispielsweise oft eine bessere Suchmaschinenplatzierung, da viele Kriterien für Barrierefreiheit auch Kriterien für gutes SEO sind, wie z.B. eine klare Struktur, aussagekräftige Überschriften und Alternativtexte für Bilder. Google berücksichtigt Barrierefreiheit zunehmend bei seiner Bewertung der Inhalte, was sich positiv auf das Ranking auswirken kann.

Warum Barrierefreiheit für uns alle wichtig ist

Barrierefreiheit ist ein Thema, das uns alle angeht. Sie ist nicht nur für behinderte Menschen wichtig, sondern kommt allen zugute. Jeder von uns kann temporär oder situativ von Barrieren betroffen sein – sei es durch eine vorübergehende Verletzung, als Elternteil mit Kinderwagen oder im Alter mit nachlassenden Fähigkeiten.

Daher geht Barrierefreiheit uns alle an und sollte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden.

Die Umsetzung von Barrierefreiheit ist eine kontinuierliche Aufgabe, die ständige Aufmerksamkeit und Anpassung erfordert. Durch die sich verändernde Technik und Medien werden immer neue Anforderungen entstehen, aber auch Möglichkeiten. Ein einfaches Beispiel: Mit dem Aufkommen des Tonfilms wurden die bis dato für gehörlose Menschen barrierefreien Stummfilme eine Seltenheit. Gleichzeitig schufen Tonfilme aber auch erst die frühe Grundlage für Audiodeskription. 

Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes wird sie für viele Unternehmen und Organisationen zu einer verbindlichen Anforderung. Aber unabhängig von rechtlichen Vorgaben solltest du Barrierefreiheit als Chance sehen, zu einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft beizutragen, in der alle Menschen, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen, gleichberechtigt teilhaben können.

Von A bis Z: Begriffe rund um Hörbehinderung und Gebärdensprachen

Hier findest du Erklärungen zu wichtigen Begriffen aus den Bereichen Hörbehinderung und Gebärdensprachen. Unser Ziel ist es, dir einen einfachen Zugang zu diesem Themenfeld zu ermöglichen und Fachbegriffe verständlich zu erläutern.

arrow_upward