Audismus

Was ist Audismus und wie wirkt diese Form der Diskriminierung?

Audismus ist eine Form der Diskriminierung, die in unserer Gesellschaft oft übersehen wird, aber weitreichende Auswirkungen auf das Leben tauber und schwerhöriger Menschen hat. Der Begriff wurde 1975 von Tom Humphries geprägt und beschreibt eine Geisteshaltung, die das Hören und Sprechen als überlegen betrachtet und taube Menschen als „defekt“ oder minderwertig ansieht. Diese Diskriminierungsform ist tief in unseren sozialen Strukturen verwurzelt und äußert sich auf vielfältige Weise im Alltag tauber, schwerhöriger und taubblinder Menschen.

Audismus basiert auf der Annahme, dass ein Leben ohne Gehör weniger wert oder erfüllt sei. Diese Vorstellung führt zu einer Stigmatisierung und Abwertung der Gehörlosenkultur und der Gebärdensprache, die für viele taube Menschen ein zentraler Teil ihrer Identität und Gemeinschaft sind. Die Kultur tauber Menschen, die eine reiche Geschichte und eigene Traditionen hat, wird durch Audismus marginalisiert und als minderwertig betrachtet.

Die Auswirkungen von Audismus im Alltag

Die Auswirkungen von Audismus sind vielfältig und tiefgreifend. Sie reichen von subtilen Vorurteilen bis hin zu offener Ausgrenzung und Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen. Taube Menschen erfahren häufig Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Führerscheinausstellung, die in manchen Gemeinden für Gehörlose nur mit zusätzlichem ärztlichem Attest und nach teurerkostspieliger Bescheinigung möglich ist. Dies stellt eine ungerechtfertigte Hürde dar und impliziert fälschlicherweise, dass Taubheit grundsätzlich die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt. Dadurch wird außerdem auch das Vorurteil verfestigt, dass hörbehinderte Menschen nicht Auto fahren können oder dürfen.

Geringe Wertschätzung Gehörloser im Bildungssystem

Im Bildungsbereich zeigen sich die Folgen des Audismus besonders deutlich. Viele taube Kinder werden gezwungen, zuallererst Lautsprache zu lernen, anstatt in ihrer natürlichen Sprache, der Deutschen Gebärdensprache, unterrichtet zu werden. So wird es als wichtig betrachtet, Lautsprache zu üben und den Stimmapparat zu trainieren. Gehörlose und auch schwerhörige Kinder verbringen viel Zeit in der Logopädie. Diese Zeit fehlt dann für das Lernen oder das Entwickeln eines gesunden Soziallebens. Oft wird dann auch das Lernen der Gebärdensprache ignoriert, behindert oder aktiv bekämpft. Das behindert gehörlose Kinder unnötig in ihrer freien Entfaltung. Diese Praxis kann zu erheblichen Nachteilen in der Bildung führen und die späteren Berufschancen beeinträchtigen. Die einseitige Fokussierung auf die Lautsprache ignoriert die Tatsache, dass Gebärdensprache eine vollwertige, komplexe Sprache ist, die tauben Menschen einen gleichwertigen Zugang zu Bildung und Wissen ermöglicht.

Diskriminierung im Berufsleben

Auch im Berufsleben sind die Auswirkungen von Audismus spürbar. Taube Menschen stoßen oft auf Vorurteile bei der Jobsuche oder werden in ihrer beruflichen Entwicklung behindert. Arbeitgebender unterschätzen häufig die Fähigkeiten gehörloser Mitarbeiter oder scheuen den vermeintlichen Mehraufwand für Kommunikationshilfen oder Arbeitsassistenzen. Dabei zeigen Studien, dass taube Menschen in den meisten Berufen genauso leistungsfähig sind wie hörende, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Audismus und seine Auswirkungen auf die Kultur tauber Menschen und die Gebärdensprache

Audismus ist zusammengefasst einfach ein Begriff für die weit verbreitete Annahme, dass ein Leben ohne Gehör weniger wert oder erfüllt sei. Diese Vorstellung führt dann zu einer Stigmatisierung und Abwertung der Gehörlosenkultur und der Gebärdensprache, die für viele taube Menschen ein zentraler Teil ihrer Identität und Gemeinschaft sind. Die Kultur tauber Menschen, die eine reiche Geschichte und eigene Traditionen hat, wird durch Audismus marginalisiert und als minderwertig betrachtet.

Gebärdensprachen werden oft fälschlicherweise als eine Art Pantomime oder vereinfachte Kommunikationsform missverstanden, anstatt als vollwertige Sprachen mit eigener Grammatik und Ausdruckskraft anerkannt zu werden. Diese Missachtung der Gebärdensprache führt dazu, dass taube Menschen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens benachteiligt werden. Beispielsweise gibt es in der Mainstream-Kultur nur wenige Angebote in Gebärdensprache, was taube Menschen von vielen kulturellen Erlebnissen ausschließt und ihre gesellschaftliche Isolation verstärkt. Ebenso ist es für Taube Kulturschaffende im Theater-, Kunst- oder Filmbereich sehr schwer, Fuß zu fassen, aus vielerlei Gründen. Die Gebärdensprachpoesie als Kunstform wird nicht ernst genommen, und gerade in den freien Künsten ist gutes Netzwerken essenziell, was gehörlosen Menschen durch die Abwertung der Gebärdensprache und Gehörlosenkultur unnötig schwer gemacht wird.

Die Bedeutung der Identität 

Für die Anerkennung als sprachliche Minderheit ist Identität ein elementares Merkmal. Identität innerhalb der Gehörlosengemeinschaft wird vor allem durch  Gebärdensprache als wichtiges Bindeglied geschaffen, da diese den Zugang zur Teilhabe und Kultur sicherstellt und einen Weg zur Selbstbestimmung schafft. Aus diesem Grund ist für gehörlose oder taube Menschen die Zugehörigkeit zurTaubengemeinschaft von enormer Bedeutung.

Im Vergleich zu anderen Diskriminierungsformen

Audismus weist Parallelen zu anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus oder Sexismus auf. Ähnlich wie beim Rassismus, wo eine bestimmte Hautfarbe als „normal“ oder überlegen betrachtet wird, setzt Audismus das „normale“ Hören als Standard voraus. Diese Haltung führt zu systematischer Benachteiligung und Ausgrenzung einer ganzen Gruppe von Menschen aufgrund eines einzelnen Merkmals.

Wie du Audismus erkennen und bekämpfen kannst

Um Audismus zu bekämpfen, ist es wichtig, dass du dir besonders als hörender Mensch zunächst deiner eigenen Vorurteile und Annahmen bewusst wirst. Hinterfrage kritisch, ob du unbewusst davon ausgehst, dass Hören und Lautsprache sprechen die einzigen oder besten Kommunikationsformen sind. Informier dich! Lerne mehr über die Kultur tauber Menschen und die Deutsche Gebärdensprache, um ein tieferes Verständnis für die Lebenswelt tauber Menschen zu entwickeln.

In deinem Alltag kannst du aktiv dazu beitragen, Barrieren abzubauen. Setze dich dafür ein, dass Veranstaltungen und Informationen auch in Gebärdensprache zugänglich gemacht werden. Manchmal ist es schon ein Anstoß, wenn auf Veranstaltungen nachgefragt wird, warum denn keine Verdolmetschung zum Einsatz kommt, oder wenn ein Hinweis gegeben wird, dass hier taube Menschen faktisch ausgeschlossen werden. Solche kleinen Anreize können schon ein Umdenken in Gang setzen.Unterstütze Initiativen und Vereine, die sich für die Rechte und die Gleichstellung tauber Menschen einsetzen. Wenn du in einer Position bist, Entscheidungen zu treffen, berücksichtige auch die Bedürfnisse tauber Menschen und schaffe inklusive Strukturen.

Eine Gesellschaft ohne Audismus

Eine Gesellschaft ohne Audismus zu schaffen, erfordert ein Umdenken auf vielen Ebenen. Es geht darum, die Vielfalt menschlicher Erfahrungen und Kommunikationsformen als Bereicherung zu sehen, nicht als Defizit. Bildungseinrichtungen sollten bilinguale Konzepte umsetzen, die Laut- und Gebärdensprache gleichberechtigt behandeln. Im Arbeitsleben müssen Barrieren abgebaut und die Potenziale tauber Menschen anerkannt werden.

Letztendlich profitieren alle von einer inklusiven Gesellschaft, die die Fähigkeiten und Perspektiven aller ihrer Mitglieder wertschätzt. Indem wir Audismus erkennen und aktiv dagegen vorgehen, schaffen wir eine gerechtere und vielfältigere Welt, in der taube Menschen gleichberechtigt teilhaben und ihre Talente voll entfalten können.

Von A bis Z: Begriffe rund um Hörbehinderung und Gebärdensprachen

Hier findest du Erklärungen zu wichtigen Begriffen aus den Bereichen Hörbehinderung und Gebärdensprachen. Unser Ziel ist es, dir einen einfachen Zugang zu diesem Themenfeld zu ermöglichen und Fachbegriffe verständlich zu erläutern.

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